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Die Türglocke schrillte. Der Kriminalbeamte Dane Hollister öffnete ein Auge, blickte zur Uhr und schloss es wieder, wobei er einen leisen Fluch ausstieß. Es war sieben Uhr, an einem Samstagmorgen, seinem ersten freien Wochenende seit einem Monat, und irgendein Idiot drückte auf seine Klingel. Vielleicht würde er ja wieder gehen, wer immer er auch sein mochte.
Abermals läutete es, dann wurde heftig gegen die Tür gehämmert. Dane fluchte nochmals ausgiebig, schob das zerwühlte Laken beiseite und schwang sich nackt aus dem Bett. Er griff nach der zerknitterten Hose, die er am Abend zuvor achtlos beiseite geworfen hatte, und schlüpfte hinein; den Reißverschluss machte er zu, doch ließ den Knopf offen. Aus einer Gewohnheit heraus, einer Gewohnheit, die ihm so sehr in Fleisch und Blut übergegangen war, dass er nicht weiter darüber nachdachte, nahm er seine 9-mm-Beretta von dem Tisch neben dem Bett. Niemals ging er unbewaffnet zur Tür. Nicht einmal seine Post holte er aus dem Briefkasten, ohne dabei eine Waffe zu tragen. Seine letzte Freundin, mit der er nur eine sehr kurze Zeit zusammen war, weil sie die unregelmäßige Arbeitszeit eines Kriminalbeamten nicht ertragen konnte, hatte einmal bissig gemeint, dass er der einzige Mann sei, den sie kannte, der sogar mit der Waffe ins Bad ging.
Sie hatte nicht besonders viel Sinn für Humor gehabt, also hatte Dane sich zurückgehalten und keine zweideutige Bemerkung über männliche Waffen von sich gegeben. Bis auf die Tatsache, dass ihm der Sex mit ihr fehlte, war er eigentlich erleichtert gewesen, als sie sich endgültig verabschiedete.
Er hob eine Seite der Gardine, um aus dem Fenster zu sehen, dann öffnete er mit einem weiteren Fluch die Tür. Sein Freund und Partner, Alejandro Trammell, stand auf der Veranda vor der Tür. Trammell zog anmutige schwarze Augenbrauen hoch und warf dann einen Blick auf Danes zerknautschte Hose. »Hübsches Höschen«, meinte er.
»Weißt du, zum Teufel, wie spät es ist?« bellte Dane.
Trammell warf einen Blick auf seine Armbanduhr, eine hauchdünne Piaget. »Zwei Minuten nach sieben. Warum?« Lässig betrat er das Haus. Mit einem lauten Knall schlug Dane die Tür hinter ihm zu. Trammell blieb stehen. »Hast du jemanden da?« wollte er wissen.
Dane fuhr sich mit der Hand durchs Haar, dann rieb er über sein Gesicht und hörte, wie die Bartstoppeln sich an seiner Handfläche rieben. »Nein, ich bin allein.« Er gähnte, dann betrachtete er seinen Partner. Trammell war perfekt gekleidet, wie immer, doch unter seinen Augen lagen dunkle Schatten.
Wieder gähnte Dane. »Ist es sehr spät am Abend oder sehr früh am Morgen?«
»Ein wenig von beidem. Es war eine schlimme Nacht, ich konnte nicht schlafen. Da dachte ich, ich komme dich zum Frühstück besuchen.«
»Wie großzügig, deine Schlaflosigkeit mit mir zu teilen«, murmelte Dane, doch er war schon auf dem Weg in die Küche. Er hatte selbst viele schlechte Nächte gehabt, deshalb verstand er das Bedürfnis nach Gesellschaft. Trammell hatte ihn bei solchen Überfällen nie abgewiesen. »Ich setze den Kaffee auf, dann lasse ich dich allein, während ich dusche und mich rasiere.«
»Vergiss es«, meinte Trammell. »Lieber setze ich den Kaffee selber auf. Ich möchte ihn wenigstens trinken können.«
Dane widersprach nicht. Er konnte zwar seinen eigenen Kaffee trinken, aber bis jetzt hatte er niemand anderem geschmeckt. Ihm selbst machte das nichts aus, er brauchte den Kick, den das Koffein ihm gab, der Geschmack war da nicht so wichtig.
Also überließ er Trammell die Küche, tappte schicksalsergeben zurück, zog die Hose aus und ließ sie missmutig auf dem Boden liegen. Zehn Minuten in der Dusche, während der er sich mit einer Hand an der Wand abstützte und das Wasser auf seinen Kopf prasseln ließ, schienen dem Aufwachen förderlich zu sein, das er fürs Rasieren brauchte; doch erst als er sich in das Kinn schnitt, war er richtig da. Unglücklicherweise verging kaum ein Tag, an dem sein Gesicht nicht irgendwo einen Schnitt aufwies. Er schaffte das Rasieren nicht eben glänzend. Trammell hatte ihm einmal mit näselnder Stimme geraten, sich einen elektrischen Rasierapparat anzuschaffen, doch er hasste den Gedanken, sich von einer Rasierklinge unterkriegen zu lassen; also machte er weiter und opferte sein Blut auf dem Altar des Eigensinns.
Das Ankleiden hingegen war einfach. Dane zog das an, was ihm gerade unter die Finger geriet. Und weil er manchmal vergaß, eine Krawatte umzubinden, hatte er immer eine in seinem Wagen; sie passte zwar manchmal nicht zu der Kleidung, die er gerade anhatte, aber immerhin war eine Krawatte eine Krawatte, und es zählte die Tatsache, dass er eine trug und nicht das Design. Der Chef wollte, dass seine Beamten mit Krawatten erschienen, also tat Dane ihm den Gefallen. Trammell warf manchmal entsetzte Blicke auf ihn, aber Trammell war auch ein Kleidungsfetischist; er bevorzugte italienische Seidenanzüge, also nahm Dane sich seine Kritik nicht unbedingt zu Herzen.
Hätte sich irgendein anderer Kriminalbeamter mit solchen Klamotten oder solch einem Wagen blicken lassen, wie Trammell es sich leistete, so hätte das Innenministerium typischerweise sofort über ihm geschwebt wie der Gestank über der Scheiße. Doch Trammell war so reich, dass keiner an ihn ran konnte; er hatte eine nette kleine Summe von seiner kubanischen Mutter geerbt und auch noch einige recht erfolgreiche Konzerne von seinem Vater - einem Geschäftsmann aus New England, der sich auf einem Urlaub in Miami verliebt hatte und dann für den Rest seines Lebens in Florida geblieben war. Trammells Haus hatte eine ganze Million gekostet, und er gab sich nicht die geringste Mühe, seinen Lebensstil etwas herunterzuschrauben. Sein Partner war ein so rätselhafter Schuft, dass Dane nicht wusste, ob Trammell ein so luxuriöses Leben führte, weil es ihm gefiel und er die Mittel dazu besaß, oder ob er es nur tat, um die Kerle im Innenministerium zu ärgern. Dane vermutete beinahe das letztere. Und das gefiel ihm.
Er und Trammell waren in vielen Dingen das genaue Gegenteil. Trammell war gertenschlank und so zurückhaltend wie eine Katze. Ganz gleich was auch geschah, er sah immer elegant und kultiviert aus, seine Kleidung saß perfekt. Er liebte - ja wirklich, er liebte - Oper und Ballett. Bei Dane war es leider umgekehrt: Der teuerste Seidenanzug, für seinen muskulösen, athletischen Körper maßgeschneidert, sah an ihm immer leicht verbeult aus. Er liebte Sport und Country-Music. Wollte man sie beide mit Fahrzeugen vergleichen, so wäre Trammell ein Jaguar, während Dane eher einem Kleinlaster glich, einem Pick-up mit Vierradantrieb.
Auf der anderen Seite, überlegte Dane, als er in die Küche zurück latschte, hatte die Natur bei ihren Gesichtern auf eine eigenartige Weise einen Ausgleich geschaffen. Trammell sah außergewöhnlich gut aus, doch auf Fotos blickte er immer ein wenig unheimlich. Dane hingegen nahm an, dass er mit seinem Gesicht Kinder und kleine Tiere ängstigen konnte, wenn es zwischen den beiden überhaupt einen Unterschied gab, doch die Kamera liebte ihn. Das machten all die Kanten in seinem Gesicht, hatte Trammell ihm erklärt. Trammell war verrückt nach Kameras, er schoss eine Menge Fotos, nie sah man ihn ohne seinen Apparat. Und da Dane sein Partner war und immer mit ihm zusammen, so war es nur natürlich, dass er auf einer Menge dieser Fotos erschien. Auf den Bildern waren die kantigen Linien seiner hohen Wangenknochen, die tiefliegenden Augen und das Grübchen in seinem Kinn fesselnd und nicht einfach nur grob. Selbst die gebrochene Nase sah auf einem Lichtbild irgendwie passend aus. Doch ansonsten machte er einen grimmigen Eindruck mit seinem zersäbelten Gesicht, den Augen eines Polizisten, aufmerksam und zu alt.
Dane goss sich Kaffee ein und setzte sich dann an den Tisch. Trammell stand noch immer am Herd; was er dort gerade kochte, roch lecker.
»Was gibt es zum Frühstück?« fragte er.
»Vollkornwaffeln mit frischen Erdbeeren.«
Dane schnaufte. »In meinem ganzen Haus gibt es kein Vollkornmehl.«
»Ich weiß. Deshalb habe ich ja auch welches mitgebracht.«
Gesundheitsnahrung. Dane hatte nichts dagegen. Er konnte sehr leutselig sein, wenn jemand anders das Kochen übernahm. Während der Arbeit lebten sie meist von Snacks an Imbissbuden, es musste schnell gehen; also hatte er nichts dagegen, sich mit einer weniger fetten Nahrung zu versorgen, wenn sie die Zeit dazu hatten. Teufel, er hatte sogar gelernt, Rosenkohl zu lieben. Er schmeckte wie grüne Erdnüsse, frisch aus dem Boden und noch nicht ganz reif. Als Kind hatte er oft grüne Erdnüsse gegessen, hatte sie sogar lieber gemocht als die fertig ausgereiften, die man schälen musste
»Also, was hat dich in der letzten Nacht wach gehalten?« fragte er Trammell. »War es etwas Bestimmtes?«
»Nein, es war ganz einfach eine dieser Nächte, wo ein Alptraum beginnt, jedesmal, wenn man gerade wieder einschläft.«
Eigenartig, wie Träume kamen und gingen! Alle Polizisten hatten solche Träume, doch er und Trammell waren vor ein paar Jahren durch eine schwierige Zeit gegangen, nach einer Schießerei; eine Zeitlang waren die Träume jede Nacht gekommen. Die meisten Polizisten brauchten während ihres ganzen Berufslebens nie ihre Waffe abzufeuern, doch Dane und Trammell hatten dieses Glück nicht gehabt.
Sie hatten versucht, einen Verdächtigen zu finden, der wegen einer Schießerei vernommen werden sollte. Die hysterische Freundin des Verdächtigen hatte sie zu ihm geführt, und sie waren genau mitten in einen der größten Drogendeals hineingeplatzt, für den >zufällig< kein anderer als der Verdächtige selbst verantwortlich war. Normalerweise wurden auf diese Weise Hintermänner erwischt, nicht etwa durch die Nachforschungen scharfsinniger Detektive, sondern aufgrund von Denunziation.
In dem damaligen Fall hatten die Hintermänner, anstatt durch eines der Fenster zu verschwinden und sich dann in einem Mauseloch zu verkriechen, die Kugeln sprechen lassen. Dane und Trammell hatten sich sofort zu Boden geworfen und waren für die fünf längsten Minuten ihres Lebens am Tatort gefangen gewesen. Als dann die Verstärkung eintraf, die Danes Funkspruch >Beamte unter Feuer< alarmiert hatte, in Form jedes einzelnen Polizisten der Gegend, uniformiert oder in Zivil, wurden drei der Hintermänner und das Mädchen getroffen. Das Mädchen und einer der Ganoven hatten es nicht überlebt. Eine Kugel war abgeprallt, gesplittert, und ein Teil davon hatte Danes Rücken getroffen, hatte seine Wirbelsäule nur um Zentimeter verfehlt. Aber sie schaffte es noch, ihm eine Rippe zu brechen und ein beachtliches Loch in seinen rechten Lungenflügel zu reißen. Die Dinge waren einigermaßen drunter und drüber gegangen, doch an eines erinnerte er sich noch ziemlich deutlich. Trammell hatte neben ihm gekniet und geflucht, was das Zeug hielt, während er versuchte, die Blutung zu stillen. Drei Tage hatte Dane auf der Intensivstation gelegen, fünfzehn Tage musste er im Krankenhaus bleiben, und erst nach neun Wochen konnte er die Arbeit wiederaufnehmen.
Eine ganze Weile lang hatten sie beide ziemlich schlechte Träume gehabt.
Gerade als Trammell die Waffeln auf den Tisch stellte, läutete das Telefon. Dane reckte sich, um den Hörer abzunehmen, und genau in diesem Augenblick ging Trammells Piepser los. »Mist!« sagten sie beide gleichzeitig und sahen einander an.
»Es ist Samstag, verdammt noch mal!« brüllte Dane in den Hörer. »Wir haben heute unseren freien Tag.«
Er lauschte, während er gleichzeitig Trammell dabei beobachtete, wie der seine Tasse Kaffee hinunterkippte, dann seufzte er. »Ja, okay. Trammell ist hier. Wir sind schon unterwegs.«
»Was hat uns den freien Tag vermasselt?« wollte Trammell wissen, als sie das Haus verließen.
»Stroud und Keegan sind bereits mit einem anderen Fall beschäftigt. Worley hat sich heute morgen krank gemeldet, Freddie ist beim Zahnarzt wegen einem Abszess« So etwas passierte nun einmal, kein Grund, sich darüber aufzuregen. »Ich fahre.«
»Und wohin fahren wir?«
Dane gab ihm die Adresse, als sie in den Wagen stiegen, und Trammell schrieb sie auf. »Ein Mann hat angerufen und gesagt, dass seine Frau verletzt ist. Man hat einen Krankenwagen hingeschickt, doch ein Streifenpolizist war schneller da. Er hat nur einen Blick auf das Opfer geworfen und den Krankenwagen wieder abbestellt. Da ist nämlich die Mordkommission zuständig.«
Sie brauchten ungefähr zehn Minuten, um die angegebene Adresse zu erreichen, das Haus konnten sie gar nicht verfehlen. Beinahe die ganze Straße war blockiert von Streifenwagen, einer Ambulanz und einigen anderen offiziell aussehenden Fahrzeugen. Uniformierte Polizisten standen auf dem schmalen Rasen vor dem Haus, während sich die Nachbarn in kleinen Gruppen versammelt hatten, einige von ihnen waren noch in Nachthemden. Ganz automatisch warf Dane einen Blick auf die Neugierigen - er suchte nach etwas, das nicht dazu passte, jemand, der nicht dort hinzugehören schien, oder jemand, der vielleicht ein wenig zu interessiert aussah. Es war erstaunlich, wie oft ein Mörder in der Nähe des Opfers blieb.
Er zog seine marineblaue Jacke an und griff 'dann nach seinem Ersatzschlips, der auf dem Rücksitz lag, und knotete ihm um seinen Hals. Unbemerkt, stellte er fest, hatte Trammell sich im Wagen mit einer makellosen Krawatte ausgerüstet. Einfach perfekt, verdammt, er konnte es nicht glauben. Dieser eitle Fatzke trug wirklich einen zweireihigen italienischen Anzug, an seinem freien Tag! Als sie das Haus verlassen hatten, hatte er ganz einfach die Jacke des Anzugs übergezogen.
Manchmal machte er sich glatt Sorgen um Trammell.
Sie zeigten dem Polizisten an der Tür ihre Dienstmarken, und er trat zur Seite, um sie einzulassen.
»Miiist«, sagte Dane, als er sich umgesehen hatte.
»Das kannst du laut sagen«, antwortete Trammell im gleichen, ungläubigen Ton.
Morde waren für die beiden nichts Neues. Nach einer Weile erreichte ein Kriminalbeamter einen Punkt, wo auch Gewaltverbrechen zur Routine wurden. Messerstechereien und Schießereien gab es in Hülle und Fülle. Hätte man ihn noch eine Stunde zuvor gefragt, so hätte Dane behauptet, dass er und Trammell schon lange genug in diesem Beruf waren und dass sie eigentlich nichts mehr erschütterte.
Doch dies hier stellte alles bisher Dagewesene in den Schatten.
Überall war Blut. Es hatte die Wände bespritzt und den Fußboden, selbst an der Decke entdeckten sie Blutspuren. Dane konnte von der Stelle, an der er stand, in die Küche sehen, und auch dort war Blut; ein blutiger Pfad führte weiter in das Wohnzimmer und von dort aus noch weiter. Er versuchte, sich den Kampf vorzustellen, bei dem das Blut in solchen Strömen geflossen war.
Dane wandte sich an den uniformierten Polizisten, der an der Tür stand. »Sind die Jungs aus dem Kriminallabor schon da?«
»Noch nicht.«
»Mist«, sagte er noch einmal. Je länger es dauerte, bis die Mannschaft aus dem Kriminallabor oder der Gerichtsmedizin auftauchte, desto mehr waren die verwertbaren Spuren am Ort des Geschehens gefährdet. Bei der ganzen Aufregung geriet immer etwas durcheinander; es sei denn, die Gerichtsmediziner selbst fanden als erste das Opfer und sicherten den Tatort sofort ab. Doch sie waren noch nicht da, und das Haus wimmelte von uniformierten Polizisten und solchen in Zivil; sie liefen hin und her und zerstörten zwangsläufig etwaige Hinweise.
»Lassen Sie niemanden ins Haus, nur die Leute von Ivan«, befahl er dem Polizisten. Ivan Schaffer war der Chef des Kriminallabors. Er würde schrecklich wütend sein, wenn er das hier sah.
»Leutnant Bonness ist unterwegs.«
»Ihn können Sie auch reinlassen«, sagte Dane und verzog den Mund.
Das Haus gehörte zur Mittelklasse, es war nichts Außergewöhnliches. Im Wohnzimmer standen eine Couch und ein dazu passender Sessel, der übliche Couchtisch und Beistelltische mit Lampen aus Furnierholz; ein großer brauner Fernsehsessel nahm den Platz vor dem Fernsehapparat ein. In diesem Sessel saß jetzt ein benommen blickender Mann Ende Vierzig oder Anfang Fünfzig, wahrscheinlich der Ehemann des Opfers. Er gab einsilbige Antworten auf Fragen, die ihm ein anderer Uniformierter stellte.
Das Opfer lag im Schlafzimmer. Dane und Trammell bahnten sich einen Weg durch die Menschenmenge in den kleinen Raum. Der Fotograf war schon da, er tat seinen Job, doch man sah ihm an, dass ihm seine gewohnte Abgebrühtheit abhanden gekommen war.
Die nackte Frau lag eingeklemmt in dem engen Raum zwischen dem Nachttisch und der Wand. Sie wies furchtbare Messerstiche auf - eigentlich konnte man sagen, sie war zerhackt worden. Beim Versuch zu fliehen war sie im Schlafzimmer in die Ecke getrieben worden und hatte sich aufs Kämpfen verlegt, das war aus den tiefen Wunden an ihren Armen zu erkennen. Sie war beinahe enthauptet worden, ihre Brüste waren entstellt durch viele Stiche, und alle ihre Finger waren abgeschnitten. Dane sah sich in dem Zimmer um, aber er konnte die abgeschnittenen Fingerglieder nirgendwo entdecken. Das Bett war ordentlich gemacht, doch voller Blut.
»Hat man die Waffe gefunden?« fragte Dane.
Ein Streifenpolizist nickte. »Sie lag neben dem Opfer. Ein Ginsu-Messer aus der Küche. Sie hatte ein ganzes Set davon. Sieht aus, als seien sie wirklich so scharf, wie in der Werbung immer behauptet wird. Ich denke, ich werde meiner Frau auch welche kaufen.«
Ein anderer Kollege schnaufte. »Ich würde mir das an deiner Stelle lieber noch einmal überlegen, Scanlon.«
Dane hörte gar nicht auf den schwarzen Humor, mit dem alle Polizisten versuchten, die schrecklichen Dinge zu überspielen, die sie jeden Tag sahen. »Was ist mit ihren Fingern?«
»Weit und breit keine Spur.«
Trammell seufzte. »Ich denke, wir reden besser erst einmal mit ihrem Mann.«
Es war eine Tatsache, dass für die meisten Morde, außer denen, die von Banden verübt wurden, jemand verantwortlich war, der das Opfer kannte: ein Freund, Nachbar, Arbeitskollege oder Verwandter. War das Opfer eine Frau, konnte die Liste noch mehr eingeschränkt werden, weil der Mörder in den meisten Fällen der Ehemann oder Liebhaber war. Oft handelte es sich bei dem Mörder um die gleiche Person, die die Leiche >entdeckte< und das Verbrechen der Polizei meldete.
Sie gingen in das Wohnzimmer zurück, und Dane lenkte die Blicke des Polizisten auf sich, der mit dem Ehemann sprach. Der Mann kam zu ihnen herüber.
»Hat er etwas gesagt?« fragte Dane.
Der Polizist schüttelte den Kopf. »Die meisten Fragen beantwortet er nicht. Er hat gesagt, dass seine Frau Nadine heißt und dass sein Familienname Vinick ist. Er heißt Ansel Vinick. Sie leben schon dreiundzwanzig Jahre hier. Mehr hat er mir nicht verraten.«
»War er derjenige, der die Polizei gerufen hat?«
»Jawohl.«
»Okay. Wir übernehmen jetzt.«
Er und Trammell gingen zu Mr. Vinick hinüber. Dane setzte sich auf die Couch, und Trammell zog den anderen Sessel näher, so dass sie Mr. Vinick zwischen sich hatten.
»Mr. Vinick, ich bin der Kriminalbeamte Hollister und das ist Detektiv Trammell. Wir möchten Ihnen gern ein paar Fragen stellen.«
Mr. Vinick starrte auf den Boden vor sich. Seine großen Hände hingen locker über die gepolsterten Armlehnen des Sessels. »Sicher«, antwortete er lahm.
»Waren Sie es, der Ihre Frau gefunden hat?«
Er antwortete nicht, starrte nur auf den Boden.
Trammell mischte sich jetzt ein. »Mr. Vinick, ich weiß, es ist sehr schwer für Sie, aber wir brauchen Ihre Hilfe. Haben Sie die Polizei gerufen?«
Er schüttelte langsam den Kopf. »Ich habe keine Polizei gerufen, sondern den Notdienst geholt.«
»Um wie viel Uhr haben Sie angerufen?« fragte Dane. Die genaue Zeit war vermerkt worden, doch Lügner stolperten manchmal über die kleinste Kleinigkeit. Im Augenblick war Vinick der Tatverdächtige, allein aus dem Grund, weil er mit dem Opfer verheiratet war.
»Weiß nicht«, murmelte Vinick. Er schien sich Mühe zu geben, sich zu konzentrieren. »Halb acht oder so, glaube ich.« Er rieb sich mit zitternden Händen das Gesicht. »Ich bin um sieben von der Arbeit gekommen. Für die Fahrt nach Hause brauche ich zwanzig bis fünfundzwanzig Minuten.«
Dane fing einen Blick von Trammell auf. Sie hatten schon genug Tote gesehen, um zu wissen, dass Mrs. Vinick schon seit mehreren Stunden tot war und nicht erst seit dreißig Minuten. Der Gerichtsmediziner würde den genauen Zeitpunkt des Todes feststellen, und wenn Mr. Vinick zu dieser Zeit laut Zeugen an seiner Arbeitsstelle gewesen war, dann mussten sie sich nach einem anderen Täter umsehen. Vielleicht hatte sie einen Geliebten gehabt, vielleicht hatte jemand Mr. Vinicks Bett warmgehalten, während er auf Nachtschicht war.
»Wo arbeiten Sie?«
Sie bekamen keine Antwort. Dane versuchte es noch einmal. »Mr. Vinick, wo arbeiten Sie?«
Vinick bewegte sich, dann nannte er den Namen einer ortsansässigen Spedition.
»Arbeiten Sie normalerweise immer in der Nachtschicht?«
»Ja. Ich arbeite am Hafen, helfe beim Beladen und Entladen der Wagen. Die meiste Fracht kommt in der Nacht an, um am nächsten Tag ausgeliefert zu werden.«
»Um wie viel Uhr sind Sie gestern Abend zur Arbeit gegangen ?«
»Wie immer. Ungefähr um zehn Uhr.«
Endlich bekamen sie Antworten. »Müssen Sie die Stechuhr drücken bei Ihrer Dienststelle?« wollte Trammell wissen.
»Ja.«
»Regeln Sie das mit der Uhr gleich, wenn Sie ankommen, oder warten Sie, bis Ihre Schicht beginnt ?«
»Ich drücke sie, sobald ich ankomme. Die Schicht beginnt um halb elf. Wir haben eine halbe Stunde Essenspause und hören um sieben Uhr auf.«
»Müssen Sie die Zeituhr auch betätigen, wenn Sie in die Pause gehen ?«
»Ja.«
Es sah ganz so aus, als hätte Mr. Vinick einen genauen Nachweis darüber, wo er die ganze Nacht gewesen war. Sie würden natürlich all das nachprüfen, was er ihnen erzählt hatte, aber das war kein großes Problem.
»Ist Ihnen denn heute morgen etwas Ungewöhnliches aufgefallen?« fragte Dane. »Ich meine, ehe Sie das Haus betreten haben ?«
»Nein. Nun ja, die Tür war abgeschlossen. Nadine steht normalerweise auf und öffnet sie für mich, dann macht sie das Frühstück.«
»Kommen Sie in der Regel durch die Haustür oder durch die Hintertür?«
»Durch die Hintertür.«
»Und was haben Sie gesehen, als Sie die Tür geöffnet haben?«
Mr. Vinicks Kinn begann zu zittern. »Nichts, im ersten Augenblick. Die Rollläden waren zugezogen, und das Licht brannte nicht. Alles war dunkel. Ich habe geglaubt, Nadine hätte verschlafen.«
»Und was haben Sie getan?«
»Ich habe in der Küche das Licht angemacht.«
»Und was haben Sie dann gesehen?«
Mr. Vinick schluckte. Er öffnete den Mund, doch kein Wort kam heraus. Er legte die Hand vor die Augen. »B-Blut«, stammelte er. »Über... überall. Aber... es sah zuerst aus wie Ketchup. Ich dachte, sie hätte eine Flasche Ketchup fallen lassen und sie wäre zerschellt, weil es überall verspritzt war. Dann ... dann sah ich, was es war. Es erschreckte mich. Vielleicht hatte sie sich geschnitten, schlimm geschnitten. Ich schrie ihren Namen und lief dann in das Schlafzimmer, suchte nach ihr.« Er hielt inne, es war ihm nicht möglich weiterzusprechen. Vor lauter Zittern merkte er gar nicht, dass Dane und Trammell aufstanden und ihn mit seinem Schmerz und seinem Entsetzen allein ließen.
Ivan Schaffer und sein Assistent kamen mit ihren Taschen an und verschwanden im Schlafzimmer, um noch so viel Beweismaterial wie möglich zu retten. Leutnant Gordon Bonness folgte ihnen auf dem Fuße. Er blieb an der Tür stehen, sein Gesicht zeigte den Schock, den er fühlte. »Heiliger Strohsack«, murmelte er.
»Das scheint die allgemeine Meinung zu sein«, sagte Trammell leise zu Dane, als sie zu dem Leutnant traten.
Bonness war kein schlechter Kerl, auch wenn er aus Kalifornien stammte, und er überraschte sie immer wieder mit ungewöhnlich seltsamen Gedankengängen. Die Abteilung führte er so fair, wie es nur ging, und Dane hielt das für eine sehr angenehme Eigenschaft an ihm; außerdem tolerierte er die verschiedenen Eigenarten und Arbeitsweisen der Männer, die ihm untergeben waren.
»Was habt ihr bis jetzt herausgefunden?« fragte Bonness.
»Wir haben eine Frau, die in Stücke geschnitten wurde, und einen Ehemann, der zu dieser Zeit arbeiten war. Sein Alibi müssen wir noch überprüfen, aber ich würde sagen, er ist unschuldig«, antwortete Dane.
Bonness seufzte. »Vielleicht hatte sie einen Freund?«
»So weit sind wir noch nicht.«
»Okay. Beeilen wir uns! Himmel, seht euch nur die Wände an. «
Sie betraten das Schlafzimmer, und der Leutnant wurde blass »Heiliger Strohsack«, entfuhr es ihm noch einmal. »Das ist ja krank!«
Dane warf ihm einen nachdenklichen Blick zu, und sein Magen zog sich zusammen. Ein Schauder lief ihm über den Rücken. Krank. Jawohl, das war krank. Und er machte sich plötzlich eine ganze Menge Sorgen mehr als zuvor.
Er hockte sich neben Ivan, während der große schlanke Mann sorgfältig den Raum nach Fasern und Haaren durchforstete oder nach irgend etwas, das man untersuchen konnte. »Habt ihr etwas gefunden?«
»Das wissen wir erst, wenn wir die Sachen im Labor prüfen.« Ivan sah sich um. »Es würde uns schon helfen, wenn wir ihre Finger finden könnten. Vielleicht könnten wir unter den Fingernägeln Hautfetzen entdecken. Meine Leute durchsuchen den Abfall in der Nachbarschaft. Hier haben wir keinen Abfall gefunden.«
»Ist sie vergewaltigt worden?«
»Keine Ahnung. Samenspuren haben wir keine gefunden.«
Danes Gefühl eines drohenden Unheils verstärkte sich noch. Was zu Beginn wie ein einfacher, wenn auch grausamer Mord ausgesehen hatte, wurde immer komplizierter. Sein Gefühl trog ihn nur selten, und in seinem Kopf schrillten die Alarmsignale wie eine ganze Blaskapelle.
Er folgte der entsetzlichen Spur bis zu ihrem Ursprung in der Küche. Trammell kam mit; nun standen sie beide in dem kleinen, gemütlichen Raum und sahen sich um. Nadine Vinick hatte offensichtlich sehr gern gekocht; die Küche war wesentlich moderner eingerichtet als der Rest des Hauses, die Küchengeräte blitzten, über einer kleinen Kochinsel hingen glänzende und doch benutzte Töpfe. Ein Schneidebrett stand an einer Seite der Anrichte, daneben ein Set mit Ginsu-Messern, von denen eines fehlte.
»Wie ist dieser Hurensohn nur ins Haus gekommen?« murmelte Dane. »Hat sich jemand schon darum gekümmert herauszufinden, ob jemand gewaltsam eingedrungen ist, oder haben alle von vornherein auf den Ehemann als Täter getippt?«
Trammell hatte lange genug mit Dane zusammengearbeitet, um zu wissen, was in ihm vorging. »Hegst du irgendeine Vermutung?«
»Ja. Eine sehr schlimme sogar.«
»Du glaubst nicht, dass sie einen Freund gehabt hat?«
Dane zuckte mit den Schultern. »Vielleicht, vielleicht auch nicht. Es ist etwas, was der Leutnant gesagt hat, nämlich dass der Täter krank war. Und das war er. Deshalb bin ich so beunruhigt. Komm, wir sehen mal nach, wie er überhaupt eingedrungen ist.«
Es dauerte nicht lange. Sie entdeckten einen kleinen Schnitt unter der Scheibe des Fensters im Gästezimmer. Die Scheibe war zwar noch an ihrem Platz, aber nur lose; der Fensterriegel stand offen, also nicht einmal für einen entschlossenen Zehnjährigen hätte es ein Hindernis gegeben. »Ich hole Ivan«, meinte Trammell. »Vielleicht kann er einen Fingerabdruck finden oder ein paar Fasern.«
Danes Gefühl eines drohenden Unheils wurde immer größer. Wenn der Täter sich gewaltsam Zugang zum Haus verschafft hatte, musste man den ganzen Fall in einem anderen Licht sehen und bedenken, dass ein Fremder der Täter gewesen sein konnte. Es konnte wohl auch kein einfacher Dieb gewesen sein, der sich dann in Brutalität hineinsteigerte, als er sich plötzlich Mrs. Vinick gegenübersah. Ein normaler Einbrecher würde unter solchen Gegebenheiten fliehen, und selbst wenn er angriff, dann lediglich als Rückzugsattacke. Doch der Überfall auf Mrs. Vinick war nicht nur heftig gewesen, er hatte auch längere Zeit gedauert. Krank.
Dane ging zurück in die Küche. Hatte es hier die erste Konfrontation gegeben, oder hatte Mrs. Vinick den Eindringling entdeckt und versucht, durch die Hintertür davonzulaufen? War sie nur bis zur Küche gekommen, ehe er sie eingeholt hatte? Dane starrte auf die Küchengeräte, als könnten sie ihm die Lösung verraten. Mit gerunzelter Stirn ging er hinüber zur Kaffeemaschine, sie war unter dem Hängeschrank eingebaut, damit sie keinen Platz auf der Anrichte wegnahm. In der Glaskanne befanden sich etwa fünf Tassen Kaffee. Mit den Fingerrücken berührte er die Kanne. Der Kaffee war kalt. Die Kaffeemaschine besaß eine Automatik, die die Warmhalte-platte nach zwei Stunden ausschaltete. Eine Kaffeetasse, beinahe bis zum Rand gefüllt, stand auf der Anrichte. Sie sah aus, als wäre sie nicht mehr benutzt worden, seit der Kaffee eingegossen worden war. Er steckte den Finger in die dunkle Flüssigkeit. Sie war kalt.
Dane zog ein paar dünne Gummihandschuhe aus der Tasche und streifte sie über. Vorsichtig berührte er nur die Holzrahmen der Schranktüren, als er sie der Reihe nach öffnete. Hinter der zweiten Tür entdeckte er eine Dose mit koffeinfreiem Kaffee. Den konnte Mrs. Vinick auch noch spät in der Nacht trinken, ohne sich Sorgen machen zu müssen wegen dem Einschlafen hinterher.
Sie hatte eine Kanne Kaffee gekocht und war in dieser Küche gewesen. Gerade hatte sie sich eine Tasse eingegossen und dann die Glaskanne auf die Warmhalteplatte zurückgestellt. Rechts hinter ihr führte eine Tür zum Wohnzimmer. Dane tat so, als hätte er sich selbst einen Kaffee eingeschenkt, er stand dort, wo sie gestanden haben musste Nach der Stelle, wo die Tasse auf der Anrichte stand, musste sie ein wenig links von der Kaffeemaschine gestanden haben. Und da hatte sie auch gleichzeitig den Störenfried bemerkt, als sie die Glaskanne zurückgestellt hatte. Die Kaffeemaschine hatte eine dunkle, glänzende Oberfläche, beinahe wie ein Spiegel wirkte diese neben den Zeigern der eingebauten Uhr. Dane bückte sich und ahmte ungefähr die Größe von Mrs. Vinick nach. Die offene Tür spiegelte sich in der Oberfläche der Kaffeemaschine.
Sie hatte ihre Tasse nicht mehr austrinken können, sondern das Spiegelbild des Eindringlings entdeckt und sich dann umgedreht. Im ersten Augenblick konnte sie vielleicht angenommen haben, dass ihr Mann noch etwas Vergessenes holen müsste und nach Hause zurückgekehrt war. Und als sie dann ihren Irrtum bemerkte, war er schon über ihr gewesen.
Wahrscheinlich hatte sie nicht nackt in ihrer Küche gestanden, obwohl Dane lange genug Polizist war, um sämtliche Spielarten erlebt zu haben. Es handelte sich lediglich um ein Gefühl. Als aber der Killer mit ihr fertig war, war sie nackt gewesen und beklagenswerterweise auch schon, als er angefangen hatte.
Es sah danach aus, als hätte er sie mit dem Messer in der Hand vergewaltigt, gleich hier in der Küche. Dass sie keine Samenspuren gefunden hatten, hatte nichts zu bedeuten; nach so vielen Stunden und einem so heftigen Kampf musste schon ein Mediziner sie untersuchen, um das feststellen zu können. Und sehr oft kam es bei einer Vergewaltigung gar nicht zum Erguss Denn es ging dem Täter um etwas ganz anderes als um einen Orgasmus.
Nach der Vergewaltigung hatte er seine Arbeit mit dem Messer begonnen. Bis dahin war sie zwar geschockt gewesen, doch voller Hoffnung, dass er, wenn er fertig war, einfach wieder gehen würde. Doch als er dann begonnen hatte, mit dem Messer nach ihr zu stechen, hatte sie gewusst, dass er die Absicht hatte, sie umzubringen, und sie hatte begonnen, um ihr Leben zu kämpfen. Sie war ihm entkommen, oder vielleicht ließ er sie nur laufen, wie beim Katz-und-Maus-Spiel: Er hatte sie in dem Glauben gelassen, eine Chance zu haben, ehe er sie wieder einfing. Wie viele Male hatte er dieses mörderische Spielchen mit ihr getrieben, bis er sie endlich im Schlafzimmer in die Ecke gedrängt hatte?
Trug sie einen Pyjama? Hatte der Killer ihre Kleidung mitgenommen, vielleicht als Andenken oder als eine Art Trophäe?
»Was ist?« frage Trammell leise. Er hatte an der Tür gestanden und mit seinen dunklen Augen den Partner aufmerksam beobachtet.
Dane blickte auf. »Wo sind ihre Sachen?« fragte er. »Was hatte sie an?«
»Vielleicht weiß Mr. Vinick das.« Trammell verschwand, es dauerte nicht einmal eine Minute, bis er zurückkam. »Sie hatte sich schon das Nachthemd angezogen, ehe er zur Arbeit ging. Er sagt, es war weiß, mit so kleinen blauen Dingern drauf.«
Er begann, nach dem vermissten Kleidungsstück zu suchen. Es war erstaunlich leicht zu finden. Trammell öffnete die Falttür, hinter der sich die Waschmaschine und der Trockner verbargen, und da lag es, ordentlich auf dem Stapel mit Kleidung im Wäschekorb, der auf dem Trockner stand. Das Nachthemd wies Blutflecken auf, doch war nicht von Blut durchtränkt. Nein, sie trug es nicht mehr bei seinem Angriff mit dem Messer. Wahrscheinlich lag es auf dem Boden, dort, wo er es hingeworfen hatte; und das Blut war erst später daraufgespritzt.
Dane starrte es an. »Nachdem er sie vergewaltigt und getötet hat, legt der Schweinehund das Nachthemd zur Wäsche?«
»Er hat sie vergewaltigt?« fragte Trammell.
»Darauf würde ich wetten.«
»Ich habe die Klinge nicht berührt. Vielleicht kann Ivan doch einen Fingerabdruck finden; auch in dem Gästezimmer war leider nichts zu entdecken.«
Dane hatte wieder eine seiner Vorahnungen, und diese gefiel ihm genauso wenig wie die anderen. »Ich fürchte, wir werden keine einzige Spur ausfindig machen«, meinte er mit ausdrucksloser Stimme.